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Mensa am Park in Weimar von thoma architekten saniert

Mensa am Park in Weimar
Eine der letzten ihrer Art

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Um ein Haar wäre die Mensa am Park abgerissen worden. Die Bauleistung der späten DDR-Zeit fand jedoch Fürsprecher; das Gebäude wurde erhalten und darf jetzt als eines der wenigen aus den 80er Jahren gelten, das denkmalgerecht saniert ist.

Architektur: thoma architekten
Tragwerksplanung: ibr tragwerk BARTH+RUGENSTEIN

Text: Achim Geissinger
Fotos: Rainer Taepper

Ein Kind der 80er Jahre. Eines der DDR und ein recht unikonisches noch dazu. Verschlissen, ramponiert, verschmutzt, für die aktuellen Anforderungen technisch wie strukturell nur bedingt geeignet. Sich für seinen Erhalt verkämpfen? Nee, bitte, weg damit!

Allerdings: Die Weimarer Mensa am Park, 1982 von Lehrenden und Studierenden der Hochschule für Architektur und Bauwesen geplant und mitgebaut, ist eine der letzten Mensen der späten Ost-Moderne. Diese Gebäude wurden zwar mit normierten Industriebauelementen geplant, aber individuell für ihren jeweiligen Standort entworfen. In Weimar etwa springt der Grundriss des rechteckigen Baukörpers an seiner Südwest-Ecke staffelartig zurück, um respektvoll einem historischen Nachbarhaus auszuweichen. Die nach wie vor standfeste Konstruktion der Mensa beruht auf einem vor Ort montierten Stahlskelett im Raster von 6 x 6 m, ausgefacht mit Mauerwerk, versehen mit Betonrippendecken und Fassadenplatten aus Waschbeton.

Wertschätzung in letzter Minute

Es fanden sich Fürsprecher, die die damalige Bauleistung anerkannten und über die Initiative »Mensadebatte« samt eines Seminars an der Bauhaus-Universität schließlich die Behörden dazu brachten, das Bauwerk 2011 – als jüngstes in Thüringen – unter Denkmalschutz zu stellen und zu erhalten. Für das an seiner Stelle vorgesehene Bauhaus-Museum fand sich ein geeigneterer Bauplatz. Man holte tief Luft und ging die Sanierung an: U. a. war die gesamte Gebäudehülle aufzuarbeiten, v. a. gipshaltige Ablagerungen und das asbesthaltige Fugendichtmittel in der Fassade zu entfernen. Ein außenliegender Wärmeschutz verbot sich, stattdessen halbiert ein 4 cm dicker Dämmputz innen den U-Wert. Die demontablen Fensterprofile wurden mit neuen Scheiben und einer thermischen Trennlage zum Stahlrahmen aufgerüstet, das Dach bis auf die Rohdecke zurück- und neu aufgebaut. Die vollständig erneuerte Haustechnik galt es in der Technikzentrale über dem Saal und auf dem Dach unterzubringen – das Gewerk Haustechnik geriet dadurch zum größten Kostenfaktor. Heizkörper kamen raus, eine Deckenheizung rein – mit dem Ergebnis, dass die Betonwerksteinböden erhalten bleiben konnten wie überhaupt die meisten Oberflächen in den öffentlichen Bereichen.

Weil das Foyer aus Sicht des Studierendenwerks deutlich zu groß war, versetzte man die Glasfassade des EGs an der Nordseite ein paar Meter nach innen und schuf damit zugleich einen überdachten Außenraum für sommerliches Mittagessen im Freien. Einer der beiden offenen Treppenaufgänge vom Foyer zum Speisesaal wurde abgebrochen, um einen regelkonformen Rettungsweg schaffen zu können. Hier führt nun ein geschlossenes Treppenhaus mit breiterem Lauf direkt nach außen. Dadurch wurde es auch möglich, eine nicht-bauzeitliche Fluchttreppe außen vor dem Speiseaal zu entfernen und das ursprüngliche Erscheinungsbild der Westfassade wiederherzustellen.

Innen sorgt ein neuer Aufzug für die barrierefreie Erschließung des OGs. Den Brandschutz verbessert – wo nötig – eine dickere Putzschicht auf den ausgemauerten Doppel-T-Stahlpfeilern, unterstützt von Entrauchungsöffnungen in den neuen Oberlichtern im Speisesaal. Für einen modernen Mensabetrieb wurde die entkernte Küche neu bestückt und mit einer Free-Flow-Speisenausgabe komplettiert.

Wolke aus Glas und Licht

Neben dem weitgehend unverstellten Blick in den Park prägt das gerasterte Flirren der mundgeblasenen Kugelleuchten an koppelbaren Metallelementen den Raumeindruck im Saal. Die 1976 von Peter Rockel entworfenen Elemente waren nur bei einem einzigen weiteren öffentlichen Bauwerk der DDR eingesetzt worden: dem Palast der Republik. Ihr Erhalt war daher von besonderem Interesse, gestaltete sich aber nicht gerade einfach. Zum einen mussten einige Elemente den Oberlichtern im Saal geopfert werden, die zur Entrauchung nötig geworden waren. Zum anderen ließen sie sich nur mit großem Aufwand reinigen und bereiteten dem Bauherrn somit aus hygienischen Gründen Bauchschmerzen. Und dann leuchteten sie auch noch zu schwach. In langem Ringen einigte man sich schließlich auf den Erhalt von etwa 50 % der über 500 Exemplare – so konnte der ursprüngliche Eindruck des sich räumlich durchdringenden Stabgittersystems im selben Raster, aber in neuem Arrangement weitgehend bewahrt werden. Wen das feine Gespinst von Ingo Maurers Lichtkonzept in den Karlsruher U-Bahn-Stationen fasziniert, kann sich der Wirkung des Weimarer Vorläufers nicht entziehen, der nun, um die nötige Leuchtstärke zu erreichen, von LEDs in der Decke unterstützt wird.

Es steht zu erwarten, dass in absehbarer Zeit auch die Ästhetik der 80er Jahre samt aller guten Ideen aus dieser Zeit allgemein wieder geschätzt wird. Bis dahin darf man sich freuen, dass in Weimar graue Energie nicht sinnlos drangegeben wurde, dass Material in situ verbleiben konnte, dass die Leistung der DDR-Bauwirtschaft Anerkennung erfährt, Charme und Wert erhalten und gepflegt werden, selbst wenn diese nicht schon beim ersten Blick ins Auge stechen.

Die Mensa wurde noch während der Bauarbeiten im Dezember 2021 abschnittsweise in Betrieb genommen, als letzter Baustein ist seit Mai 2023 auch die Kücheneinrichtung der Cafeteria nutzbar. Und, man höre!: Das Gesamtbudget wurde eingehalten.


Standort: Marienstraße 15b, 99423 Weimar
Bauherr: Studierendenwerk Thüringen, Jena
Architekten: thoma architekten, Zeulenroda-Triebes
Projektleitung: Daniel Geyer
Tragwerksplanung: ibr tragwerk BARTH+RUGENSTEIN, Erfurt
HLS-Planung: air-consult, Jena
ELT-Planung: IB Elektroprojekt, Zeulenroda-Triebes
Küchen-Fachplanung: Milan-Ingenieurbüro, Berlin
BGF: 6 785 m²
BRI: 28 850 m³
Bauwerkskosten: 13,5 Mio. Euro
Gesamtkosten: 19,1 Mio. Euro

Beteiligte Firmen:
Außentüren: Jansen Janisol, www.jansen.com
Sonnenschutzverglasung in Bestandsrahmen: Saint Gobain
Planiclear mit Cool-Lite SKN 165, www.saint-gobain-glass.de
Oberlichter: Velux Jet Top-90-Schall Lichtkuppel +
Heatstop, www.velux.com
Dämmputz innen: maxit ip 76 therm, www.maxit.de
Brandschutztüren: Jansen Janisol 2, www.jansen.com
Rauchschutztüren und Innenverglasungen: Jansen Economy 60, www.jansen.com
Heiz- und Kühldecken in Sälen und Foyer: Lindner LMD-E 213, www.lindner-group.com
Bodenfliesen Free-Flow und Treppenhaus: Agrob Buchtal Area Pro, Farbton muskat, www.agrob-buchtal.de
Aufzüge: Schönfels Aufzüge, www.schoenfels-aufzuege.de


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