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Neubau von Delueg Architekten in Sexten/IT

Neubau von Delueg Architekten in Sexten/IT
Ganz natürlich

Mit dem Haus der Berge im Südtiroler Dorf Sexten haben Delueg Architekten einen Begegnungsort für Touristen und Einheimische geschaffen. Das Gebäude ist nicht nur nachhaltig gebaut, sondern erzählt auch die Geschichte des Ortes.

Autor: Alexander Russ

Wie kann eine Architektur für die nächste Generation aussehen? Das Büro Delueg Architekten aus Sterzing in Südtirol beantwortet diese Frage auf zweierlei Weise: Zum einen ist hier ein Team aus Vater und Sohn am Werk. Zum anderen haben die beiden Architekten 2023 das sogenannte Haus der Berge fertiggestellt, das sich auf interessante Weise mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt.

Spricht man mit Bürogründer Siegfried Delueg über die Zusammenarbeit mit seinem Sohn Matthias, sagt er: „Was mit den Jungen immer mehr dazukommt, sind die großen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Das prägt unsere Entwurfsarbeit und Ausführungsplanung mittlerweile sehr stark.“ Matthias Delueg ergänzt: „In den grundlegenden Inhalten unterscheiden wir Jüngere uns nicht wesentlich von der älteren Generation. Natürlich bringen wir eigene Themen und Einflüsse mit ein. Aber wir entwickeln das Büro gemeinsam weiter.

Ein Beispiel ist der lokale Holzbau, wo wir unsere Expertise stark ausgebaut haben.“ Das Haus der Berge, ein Besucherzentrum im Südtiroler Dorf Sexten, steht exemplarisch für den Ansatz eines regionalen und ressourcenschonenden Holzbaus.

Ein Turm für Sexten

Das Projekt geht auf einen Wettbewerb zurück, den der Tourismusverein Sexten gemeinsam mit der Gemeinde auslobte und den Delueg Architekten 2016 für sich entscheiden konnten. Die Bauarbeiten begannen aufgrund des fehlenden Budgets allerdings erst im September 2022. Die Aufgabe sah den Entwurf eines Gebäudes vor, in dem sich die Besucher über die umgebende Landschaft und vor allem das Bergmassiv der Dolomiten informieren können. Dieses zählt seit 2009 zum Weltnaturerbe der Unesco.

Was zunächst rein touristisch konnotiert war, wurde auf Vorschlag der Architekten zu einem Begegnungsort für Besucher und Einheimische gleichermaßen, wie Matthias Delueg erklärt: „Wir wollten eine möglichst große Überschneidung von touristischer und lokaler Nutzung. Deshalb haben wir einen Mehrzwecksaal vorgeschlagen, der dann auch in das Raumprogramm aufgenommen wurde.“

Das Ergebnis ist ein expressiv anmutender, fünfgeschossiger Holzturm mit möglichst geringem CO2-Fußabdruck und einer Gesamtfläche von 450 m². Er befindet sich auf einem Areal am südlichen Rand des Dorfes, das größtenteils aus einem Parkplatz besteht.

Das neue Gebäude sitzt dort als weit sichtbare Landmarke. Gleichzeitig ergänzt es ein kleines Ensemble, das sich aus einer Alpinschule und dem Haus Sexten, einem Kongresszentrum, zusammensetzt. Teil des Ganzen sind ein halbrunder Festplatz und ein Musikpavillon, die laut Siegfried Delueg sehr stark von den Einheimischen genutzt werden.

Um diesen Außenraum zu stärken, ist zukünftig ein Garten geplant. Er wird direkt vor dem Haus der Berge angeordnet und soll mit lokaler Bergflora bepflanzt werden. Der Entwurf stammt ebenfalls von Delueg Architekten und ist wie der Mehrzwecksaal als Treffpunkt für Touristen und Einheimische gleichermaßen gedacht.

Regionales Bauen

Der Turm wurde bis auf einen in den Hang gesetzten Betonsockel komplett aus Holz gefertigt. Seine Fassade besteht aus einer vertikal angeordneten, stumpf gestoßenen Nut- und Feder-Lärchenschalung, die das skulpturale Erscheinungsbild betont. Bei den Böden und Fenstern kam ebenfalls Lärche zum Einsatz. Für Wände, Decken, Balken und Mobiliar wählten die Architekten Fichte. Das Holz für den Bau stammt nicht nur aus den gemeindeeigenen Wäldern, sondern umfasst auch Schadholz, das vom Sturmtief Vaia übrigblieb.

„Wir haben uns schon vor dem Projekt mit den lokalen Holzkreisläufen beschäftigt. Leider ist das Thema in Südtirol nicht selbstverständlich, weil hier mittlerweile oft mit importiertem Holz gebaut wird – und das in einer der waldreichsten Regionen Europas! Es ist uns deshalb ein großes Anliegen, das regionale Bauen in dieser Hinsicht zu fördern und Leuchtturmprojekte zu entwickeln“, sagt Matthias Delueg über den Ansatz des Büros.

Konstruktiv wurde der Holzturm in einer leimfreien vertikalen Massivholz-Blockbauweise errichtet. Er ist daher plastik- und metallfrei gefügt. Die Holzverbindungen zwischen Wänden und Decken sollen einen unkomplizierten Rückbau des Gebäudes und die Wiederverwendbarkeit des eingesetzten Holzes ermöglichen. Statisch funktioniert das Gesamte als Holztragwerk, dessen vier Stützen im Raum stehen.

Die Träger in Form von Doppelbalken sind ebenfalls sichtbar. Darauf wurden Holzdecken abgelegt, die sich aus massiven, unverleimten Vollhölzern zusammensetzen. Sie sind über ein orthogonal verlaufendes Zahnmuster ineinandergesteckt und horizontal über Holzschrauben miteinander verbunden. Die ebenfalls massiven Holzwände steifen das Tragwerk aus. Sie setzen sich aus vertikal angeordneten, 60 mm starken und 100 mm breiten Bohlen zusammen, die über horizontal verlaufende Gradleisten zusammengehalten werden.

Im Innern präsentiert sich der Turm trotz äußerer Expressivität als zurückhaltende Holzbox. Das verwendete Fichtenholz schafft mit seiner Farbigkeit und Maserung eine homogene und warme Oberfläche, mit der die Räume umhüllt werden.

Subtile Ornamentik

Dabei ist das Gebäude denkbar einfach strukturiert: Erschlossen wird es über eine in den Hang geschnittene, konisch zulaufende Betontreppe. Sie führt zum EG, das zur direkt angrenzenden Straße um eine Ebene erhöht liegt. Man betritt zunächst den offen gehaltenen Eingangsbereich, dessen zentrales Element eine kreisrunde Empfangstheke aus Fichtenholz ist.

Das UG mit Büroräumen und die darüberliegenden Ebenen mit den Ausstellungsflächen werden über Treppen oder einen Aufzug erschlossen, die als Raumschichten an der Fassade angeordnet sind. Im ersten Geschoss befindet sich der Mehrzwecksaal. In dessen Mitte platzierten die Architekten ein Atrium als visuelle Verbindung mit der Ebene darüber.

In der obersten Etage gibt es zusätzliche Ausstellungsflächen und eine eingeschnittene Dachterrasse, die einen freien Blick auf das beeindruckende Bergpanorama ermöglicht.

Ähnlich gingen die Architekten bei den Fensteröffnungen im Gebäude vor: Diese wurden so angeordnet, dass sie gezielte Ausblicke auf die verschiedenen Landschaftstypen der Umgebung ermöglichen.

Trotz der homogenen Holzoberflächen verzichteten Delueg Architekten nicht auf Ornamentik. So sind etwa die Eingangstüren im EG und UG diagonal mit Lärchenholz beplankt. Zudem weisen die Geländer des Atriums im Mehrzweckraum eine kreuzförmige Ausfachung aus. Das hindurchscheinende Tageslicht verleiht ihnen einen skulpturalen Charakter, das den Mehrzwecksaal in seinem Erscheinungsbild prägt.

Dabei knüpft die Gestaltung laut Siegfried Delueg an die traditionelle Südtiroler Architektur an: „Bei der Ornamentik war uns einerseits die handwerkliche Herstellung wichtig und andererseits der gestalterische Gedanke, weil wir den Räumen eine gewisse Sinnlichkeit verleihen wollten. Das findet man auch in den traditionellen Bauten, seien es Landsitze, Burgen oder Bauernhöfe. In den Südtiroler Stuben sieht man zum Beispiel sehr oft Strickmuster, die als Vorbild für das Geländer des Atriums dienten. Die alten Holzbaudetails zeugen von einer sehr hohen Zimmermannskunst. Das wollten wir in zeitgemäßer Form zeigen.“ Gleiches gilt für das von Delueg Architekten entworfene Mobiliar – wie die Tische, Stühle, Sitzbänke, Regale oder Einbaumöbel, die von lokalen Handwerkern aus heimischem Fichtenholz gefertigt wurden.

Dabei verweist das Projekt mit seinem regionalen Ansatz nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit, wie Matthias Delueg erläutert: „Einige der verwendeten Bäume hatten Einschusslöcher und Projektile in den Stämmen, weil Sexten ein Kriegsschauplatz im Ersten Weltkrieg war. Das verbaute Holz erzählt also die Geschichte des Ortes. Dadurch entstehen ein besonderes Bewusstsein und eine gewisse Ehrfurcht für das Material.“


Delueg Architekten

ist ein echter Familienbetrieb und wird von Siegfried Delueg (re.) und seinem Sohn Matthias Delueg (li.) geführt, der 2021 in das Büro seines Vaters einstieg.


Fakten

  • Projekt: Haus der Berge
    Standort: Dolomitenstraße 45a, 39030 Sexten, Italien

    Architektur: Delueg Architekten, www.delueg.com
    Fertigstellung: 2023
    Gesamtfläche: 450 m²
    BRI: 1 700 m³
    Kosten: 1,9 Mio. Euro Brutto
    Material: 217,5 m³ Lärche und Kiefer (etwa 70 Bäume aus lokalem Holz des Gemeindewaldes). Vier der fünf Geschosse wurden komplett leim-, kunststoff- und großteils metallfrei gefertigt.
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