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Akademie der Künste in Berlin

Akademie der Künste in Berlin
… in die Jahre gekommen: Akademie der Künste in Berlin

Am Rande des Westberliner Hansaviertels entstand von 1958 bis 1960 das Gebäude für die nach dem Zweiten Weltkrieg wiedergegründete Akademie der Künste. Werner Düttmann entwarf ein urbanes Gefüge aus drei Bauteilen: locker gruppiert, heterogen und doch aufeinander bezogen, das gebaute Zeichen eines freien Geistes.

Architektur: Werner Düttmann mit Sabine Schumann
Landschaftsarchitektur: Walter Rossow
Sanierung/Umbau: Pitz & Hoh (1995/96), Brenne Architekten (2009-17)

Kritik: Johanna Blokker, Sylvia Claus, Alexandra Druzynski von Boetticher, Albert Kirchengast (IBK/BTU Cottbus-Senftenberg)
Fotos: Roland Wieczorek (IBK/BTU Cottbus-Senftenberg), Akademie der Künste, Berlin, Landesarchiv Berlin, Horst Siegmann, Rudolf Kessler und Foto-Kessler

1958–60

Das »demokratische« Raumgefüge der Berliner Akademie

Zunächst führen einige Stufen nach unten – zu einem Vorplatz, dessen Schieferplatten sich im Inneren fortsetzen. Als müsste man sich im Freien erst richtig positionieren gegenüber diesem Gebäude, empfangen von der Abstraktheit eines mit Waschbetonplatten verkleideten Baukörpers – lastend, lang. »Akademie der Künste« steht in nachts hinterleuchteten, schmucklosen Großbuchstaben über die Hauptfassade geschrieben, die Fugen der ruppigen Betonelemente negierend, das Stoffliche zeichenhaft überschreibend. Der Sockel tritt zurück: An der Eingangsfront ist er verglast, dahinter – wiederum nachts – ein besonderer Eindruck räumlicher Tiefe, strukturiert vom Takt des Stützenrasters. Rechts hinter sich gelassen hat man da schon einen dunklen Klinkerbau: das »Studio«, einen großen Veranstaltungssaal. Sein mehrfach gefaltetes, grünes Kupferdach ist bis zum Boden hinuntergezogen und scheint Lyonel Feiningers Kirchenbilder zu materialisieren.

Beim Eintritt ins weitläufige Vestibül der Akademie ist die Stimmung ruhig, gedämpft. Raumglied fügt sich an Raumglied, Eindruck an Eindruck. Man hat die Wahl: links liegen heute Cafeteria und Buchshop, rechts das niedrig gehaltene Foyer des Studios; davor steht die original erhaltene, kantige Bar auf zeittypischem Teppichboden. Das Kupferdach taucht wieder auf, ins Foyer hineingezogen. An dieser Nahtstelle suggeriert ein verdecktes Band aus Leuchtstoffröhren natürlichen Lichteinfall von oben. Ein wiederkehrendes Motiv: innen und außen verschwimmen, luftig-verglaste Wandelgänge, Gartenhöfe, raumhohe Fensterflächen in schweren Holzrahmen erlauben den permanenten Dialog mit den Außenräumen. Man spürt die intensive Zusammenarbeit mit dem Landschaftsarchitekten Walter Rossow, zumal die architektonischen Formen in Becken und Betonstäben sich mit den Pflanzen verbinden.

Gegenüber dem Haupteingang wartet eine programmatisch breite Treppe mit schweren Teakholzstufen. Oben, in den Ausstellungshallen: Hirnholzpflaster und Sheddächer, unprätentiöse Anleihen beim Industriebau. Und doch ist es ein Bauwerk, das zum räumlichen Ausdruck bringt, wie eine »Akademie« sich längst nicht nur selbst ausstellt (archiviert und erforscht), sondern der Gesellschaft die Rolle der Kunst unmittelbar vor Augen führt. Ein Bauwerk als Träger der Idee der Kunst, dabei ganz unpathetisch, ganz pragmatisch und doch räumlich so einleuchtend, dass dies zur baukünstlerischen Idee wird. Die breitstrichige Skizze Werner Düttmanns, die mit der Haupttreppe eine zentrale Raumerfahrung festhält, bestätigt solche Gedanken.

Wer diese nicht hoch-, sondern weiter geradeaus geht, gelangt zum sogenannten »Blauen Haus« oder, spröder: dem Atelier- und Verwaltungstrakt. Hier finden sich die Büro-, Versammlungs- und Unterkunftsräume der Akademiemitarbeiter:innen und -mitglieder sowie die Ateliers. Das Innere des durch einen Mittelgang erschlossenen Trakts ist wohnlich, wirkt hell und leicht. Es scheint, als habe der Architekt hier eine informellere Stimmung gesucht, hat man die Tagungsräume im EG erst hinter sich gelassen. Hier versteht jemand, Architektur durch Material und Farbe verschieden zu temperieren. Was nun bedeutet der aufragende Block im Gefüge dieses Ensembles? Man muss sich nur an die benachbarte Interbau 1957 erinnern, die eine internationale Architekturavantgarde der Nachkriegszeit in Berlin versammeln wollte, zu der Düttmann eine Bibliothek als zurückhaltenden Servicebau beisteuerte. Beim Hochhaus-Trakt der Akademie hingegen ging es ums Markieren des Standorts – zugleich ums Gespräch mit den nachbarschaftlichen Wohnhochhäusern. Die Akademie wird zum Teil eines größeren städtebaulichen und gesellschaftspolitischen Projekts, eines Manifests westlicher Offenheit, durchaus in Opposition zur Ostberliner Akademie der Künste und der Stalinallee.

Mäzen, Architekt und britisches Understatement

Wer heute die Akademie am Berliner Hanseatenweg besucht, kann also ermessen, welche bedeutende Rolle die Institution nicht nur in der Kulturpolitik, sondern auch in der Westberliner Baupolitik spielte. Nach Errichtung des Akademie-Neubaus war Werner Düttmann von 1960 bis 1966 Senatsbaudirektor und hatte nicht zuletzt dank seiner »führenden Rolle in der Westberliner Akademie der Künste maßgeblichen Einfluss auf die vom politischen Anspruch her bedeutenden Stadtbauvorhaben« Westberlins. [1] 1961 wurde er zum Mitglied der Akademie der Künste gewählt, von 1971 an bis zu seinem Tod 1983 war er in mittelbarer Nachfolge Hans Scharouns ihr Präsident.

Düttmann unterhielt beste Beziehungen in höchste amerikanische Kreise bis hin zum Außenminister der 1950er Jahre, John Foster Dulles. In engem Austausch mit dem Architekten formulierte denn auch der aus Berlin stammende US-amerikanische Großindustrielle Henry H. Reichhold einen Brief an den damaligen Akademie-Präsidenten Hans Scharoun über die Spende von einer Million Dollar zur Errichtung des Neubaus der Akademie der Künste. Geschickterweise stiftete er jedoch nicht das Geld, sondern den fertigen (und am Ende dann doch teureren) Bau, für dessen Entwurf er auch gleich die Architekten benannte: Werner Düttmann und – mit Sabine Schumann – seine spätere Ehefrau, die mit Düttmann zusammen studiert und gearbeitet hatte. [2] Der Senat der Stadt Berlin nahm die Schenkung am 11. März 1958 an. Zwei Jahre darauf, am 18. Juni 1960, wurde der Neubau eröffnet. Seit 1961 flankiert die Bronzeskulptur »Liegende« (1956) des mit Düttmann befreundeten englischen Bildhauers Henry Moore den Haupteingang. Damit sind auch zentrale Inspirationsquellen dieser Architektur benannt. Sie liegen gerade nicht im Umfeld von Düttmanns Lehrer Hans Scharoun. Vor allem der Grundriss und die taktile Materialität der Akademie lassen vielmehr Düttmanns Orientierung an New Brutalism und Strukturalismus aus dem Umfeld des TEAM X erkennen. Dies kam nicht von ungefähr. Schon während seiner Umerziehung in englischer Kriegsgefangenschaft hatte Düttmann Kontakte zur englischen Künstlerszene geknüpft und war mit den international ausstrahlenden Londoner Diskussionen der 1950er Jahre bestens vertraut.

Ein Haus, das im eingeschlossenen Westberlin Freiheit und Internationalität nicht nur versprach, sondern auch einlöste, das sei die Akademie gewesen, erinnert sich die Dramaturgin Nele Hertling. Sie war seit Anfang der 1960er Jahre zunächst als Mitarbeiterin, später als Mitglied der Institution verbunden. [3] Auch wenn heute undenkbar scheint, dass Kinder wie seinerzeit während der Ausstellungseröffnungen im Wasserbecken des zwischen den Ausstellungshallen liegenden Skulpturenhofs planschen, ist die Akademie der Künste noch immer ein Ort der Begegnung und des Austauschs.

Räume sind Ideen

Wer heute durch die Räume der Akademie streift, um möglicherweise an einer der vielen Aufführungen des Mehrspartenprogramms teilzunehmen oder eine Ausstellung zu besuchen, wird sich wohl eine Frage nicht stellen: In die Jahre gekommen? Dazu trägt auch die bereits zweite große Restaurierung bei. Sie wurde 2017 von Winfried Brenne abgeschlossen, der sich mit seinem Büro wie wenige andere in Deutschland Verdienste um das Erbe der Moderne erworben hat. Vor Ort ging es v. a. um Adaptierungen für gegenwärtige technische und energetische Erfordernisse; etwa bei den Fenstergläsern, die leckgeschlagen waren, oder beim Brandschutzkonzept. Die Rückführung auf das bauzeitliche Erscheinungsbild stand im Zentrum, weshalb die differenzierte Farbigkeit der Räume anhand von restauratorischen Gutachten wiederhergestellt und dem Nutzungsdruck der Gegenwart möglichst »unsichtbar« entsprochen wurde – unter Erhalt sogar der historischen technischen Anlagen.

Die Akademie ist heute nicht nur ein lebendiger Ort, sondern auch ein lebendiges Denkmal. Man bemerkt den Erfolg der Architektur auch in der vielfachen Wertschätzung seitens der Nutzer:innen, bei Wartung und Gebrauch des Gebäudes. Voll Eleganz und Gewicht, aber ohne Pathos, so erlebt man dieses Bauensemble. Nichts hier drängt sich auf, so sehr man sofort von einer eigentümlich beruhigenden, ja, würdevollen Stimmung eingenommen wird. Auf übergeordneter Ebene wird die Kunst zur Gemeinschaftsstifterin per se: eine, die uns als geistige Wesen trifft und anspornt, kreativ, also frei und selbstständig zu agieren. Wir müssen in Bewegung bleiben.


  • Standort: Hanseatenweg 10, 10557 Berlin-Tiergarten[1] Hans Stimmann, Das Zentrum Berlins bleibt eine Leerstelle, in: FAZ v.
    4. März 2024.
    [2] Matthias Schirren, Das Akademie-Gebäude Werner Düttmanns und die Philharmonie Hans Scharouns, in: »Die Kunst hat nie ein Mensch allein besessen.« 1696, 1996 Akademie der Künste, Dreihundert Jahre, Hochschule der Künste, hg. v. Berlin 1996, S. 655–658.
    [3] »Es war sein Haus.« Werner Düttmann und die Akademie der Künste. Nele Hertling im Gespräch mit Lisa Marei Schmidt, in: Werner Düttmann. Berlin. Bau. Werk: = Werner Düttmann Building. Berlin, hg. v. Lisa Marei Schmidt und Kerstin Wittmann-Englert, Berlin 2021, S. 174–181.

Unsere Autor:innen (v. r.) Alexandra Druzynski von Boetticher, Albert Kirchengast, Sylvia Claus, Johanna Blokker mit Fotograf Roland Wieczorek auf dem Cottbuser Campus vor einer Betonwand, die Düttmann gefallen hätte. Nicht im Bild: Carolin Schönemann, Sekretärin der Abteilung Baukunst der Akademie, die die Autor:innen und den Fotografen maßgeblich unterstützte.


Johanna Blokker

Studium der Kunst- und Architekturgeschichte in Montréal, 1996 Bachelor; Toronto, 1999 Master und New York, 2011 Promotion. 2004-11 Lehrauftrag in New York und Köln. 2012-21 Lehrauftrag an der Otto-Friedrich-Universität, Bamberg, 2019 Habilitation. Seit 2021 Professur an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.

Sylvia Claus

Studium der Kunstgeschichte und Geschichte in Berlin, 2003 Promotion. 1993-99 wissenschaftliche Mitarbeit an der Akademie der Künste Berlin. 1999-2003 Wissenschaftliche Assistenz an der ETH Zürich, 2004-18 Leitung des postgradualen Master-of-Advanced-Study-Programm. Seit 2019 Professur an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.

Alexandra Druzynski von Boetticher

bis 2002 Architekturstudium an der Leibniz Universität Hannover. 2004-22 wissenschaftliche Mitarbeit an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und Universität Bern, 2013 Promotion, 2021 Habilitation, Seit 2022 Professur an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.

Albert Kirchengast

Architekturstudium an der TU Graz. Assistenz an der ETH Zürich, Promotion. Lehraufträge an verschiedenen europäischen Hochschulen, u. a. TU Wien. Seit 2022 Lehrauftrag an der ETH Zürich. Seit 2023 Professur an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.

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