Die Nutzer des Innodoms generieren Ideen, testen Modelle, verknüpfen Wissenschaft mit Praxis. Sie brauchen nicht nur viel Vertrauen in die eigene Sache, sondern auch Zugang zu Fördergeldern und ein solides Netzwerk, damit aus ihrer Vision ein Business wird.
Die 2019 gegründete Kölner Unistiftung möchte den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu neuen Produkten und Dienstleistungen unterstützen und beauftragte Kadawittfeldarchitektur mit dem Bau eines Gründungszentrums auf dem Lindenthaler Campus. Dort sollten nicht nur individuell mietbare Büroarbeitsplätze und Konferenzräume angeboten werden, sondern ein lebendiges Start-up-Habitat entstehen, das Synergien generiert und an jedem Tag der Woche rund um die Uhr funktioniert.
In einem zweistufigen Workshop mit den zukünftigen Nutzern, dem Gateway Excellenz Start-up Center als Hauptmieter und daran angeschlossenen Start-ups wurde eine ausführliche Phase Null durchgeführt, in der Arbeiten und Sein im Gründerstil neu gedacht wurden. Erst dann wurden Raumbedarfe und funktionale Abläufe als Grundlage für die weitere Planung festgelegt.
Keine Idee war zu absurd, als dass sie nicht notiert wurde. So erinnern sich Linda Leers und Daniel Tappen (Projektleitung Architektur/Interior) an einen Teilnehmer, der sich nach Stunden am Schreibtisch einfach mal aushängen möchte – die dafür geeignete Reckstange gibt es jetzt.
Bewegte Reaktion
Grundsätzlich ging es aber darum, den Gründerspirit des früheren Standorts in einem Ehrenfelder Hinterhof glaubhaft in den Neubau zu transportieren und eine Balance zu finden zwischen professionellem Arbeitsplatz und zweitem Zuhause, zwischen Denken und Machen, zwischen Konzentration und Kommunikation. So entstand das Bild einer Denkfabrik, das das Haus ein Jahr nach seiner Eröffnung überzeugend nachzeichnet.
Während das Gebäude dem Bedarf der zukünftigen Nutzer entsprechend von innen heraus entwickelt wurde, führten Kadawittfeld auch Studien zu Kubatur und Ausrichtung des Baukörpers durch. Auf dem Campus stehen viele Solitäre. Ihre Beziehung zueinander ist räumlich nicht immer eindeutig, Farbe und Materialität zeigen ein breites Spektrum aber kaum Kontinuität. So nimmt der Innodom zwar Höhen und Fluchten seiner Nachbarschaft auf, doch er steht mit großer Präsenz erst einmal für sich selbst. Die fünf Geschosse auf polygonalem Grundriss sind mehrfach verschoben, eingerückt oder ausgedreht, sodass eine kristalline Figur entsteht, die rückwärtig einen kleinen Platz abschirmt und Terrassen für jede Tageszeit bietet. Die Rücksprünge lassen das Haus aus der Fußgängerperspektive maßstabsgerecht erscheinen, die charakteristische Gebäudehülle in einem Farbton zwischen Rost und Backstein fügt die bewegten Teile zu einem Ganzen zusammen.
Es gibt offene, geschosshoch verglaste und mit farbig beschichteten, teilweise gelochten Alucobondblechen geschlossene Flächen. Gestaltprägend sind die ab der 1. Etage in dichter Taktung umlaufend montierten Aluminiumlisenen. Ton in Ton und stark strukturiert signalisiert die Fassade, dass hier mit besonderem Anspruch gearbeitet wird, dennoch wirkt das Gebäude in seiner Lesbarkeit sehr zugänglich. Die stärkste Außenwirkung zeigt sich in der Dämmerung, wenn die beiden doppelgeschossigen ‚Like Its’ ihre volle Strahlkraft in ‚Bondi Blue’ und ‚Supernova Gelb’ entwickeln.
Inszenierte Kontraste
Bedingt durch die bewegte Kubatur hat jedes Geschoss im Innodom einen individuellen Grundriss. Organisiert sind sie um den zentralen Erschließungs- und Versorgungskern, der dem Stahlbetonskelettbau gleichzeitig zur Aussteifung dient.
Das Erdgeschoss wird an der schmalen Stirnseite über eine großzügige Lobby erschlossen. Der Kern teilt die weiteren Flächen in Konferenzbereich und Café, beide öffnen sich mit Terrassen in den Stadtraum.
Besucher werden in einer neutralen Atmosphäre empfangen, in der die hellgrauen Materialtöne der Denkfabrik – Sichtbeton, Estrich, HWL-Platten – vorherrschen. Die Technik wird hier wie im gesamten Haus sichtbar unter der Decke geführt. So wirken die farbigen Akzente in Gelb, Grün und Purpur, jede für sich monochrom platziert, umso stärker.
Die Obergeschosse mit 164 Singledesk- und Teamwork-Arbeitsplätzen und weiteren 40 temporär nutzbaren Touchdown-Plätzen, sind in einem offenen Layout organisiert. Nur die Homebases genannten Arbeitsräume mit vier bis sechs Schreibtischen sind räumlich getrennt. Raumbildend wirkt die Grundrissform mit dem zentralen Kern, die Ausrichtung der Arbeitsplätze ist an der Fassade orientiert. Offene Regale und weiße Gardinen bieten visuell eine leichte Abschirmung.
Licht und Raumgestaltung für optimale Arbeitsbedingungen
Da das Gebäude 24/7 genutzt wird, muss es tags wie nachts ideale Arbeitsbedingungen bieten und jederzeit einladend und fokussiert wirken. Dazu trägt auch das Lichtkonzept von Arens Faulhaber Lichtplaner bei: Ein LED-Profil, beidseitig von einer tragenden Kabeltrasse flankiert, folgt der Fassade als Lichtlinie jeweils über die gesamte Ebene. An die Decke gerichtet, weist es einen hohen, weit streuenden Indirektlichtanteil auf. Unterseitig filtert ein Mikroprismendiffusor das Licht bildschirmarbeitsplatzgerecht.
An allen Plätzen im Open Space existieren zusätzliche tischgebundene Schreibtischleuchten. Zudem pendelt man dreh- und schwenkbare Leuchten über den Touchdown-Plätzen von den Kabeltrassen ab, um eine flexible Beleuchtung zu ermöglichen.
Gemeinschaftlich Genutztes wie Kopier- und Werkstattboxen, Besprecher, Schließfächer und Coffee-Points säumen den Kern und bringen Farbe ins Spiel. Flure gibt es nicht. Der eingesparte Platz wird woanders im Sinne der Gemeinschaft besser genutzt.
Besondere Räume stellen die beiden Like Its dar. Wie Schaukästen liegen sie direkt an der Fassade und verbinden zwei Geschosse. Sie bieten Möglichkeiten zum informellen Austausch in kleinerer oder größerer Runde. Sie dienen als Pausenraum, Thinktank und Bühne.
Das gelbe Like it verbindet EG und 1. OG mit einer hölzernen Sitztreppe. Gelbe Vorhänge trennen das Foyer ab und machen es zu einem temporären Auditorium.
Gestaltete Freiheit
Das Pendant in ‚Bondi Blue‘ liegt in der 3. und 4. Etage und bietet neben drei mit Kork bezogenen Sitzstufen auch Stangen zum Klettern und Hängen. Streckmetall im jeweiligen Farbton schirmt den Treppenlauf ab, ist mehr Membran als Wand. Schmale, an den vertikalen Profilen des Gitters montierte LED-Profile beleuchten die Treppe und tauchen den Raum in diffuses Licht.
Konsequent in jeder Dimension geplant, sind auch die Decken mit allen Installationen mit Ausnahme der Sprinkler farbig angesprüht.
Ein großer Mehrwert für die Nutzer sind die für alle offenen Terrassen: ‚Early-Bird‘ mit rotem Tartan-Belag für Yoga am Morgen, ‚Green Thumb‘ mit Kräutergarten und ‚Sundowner‘ im 4. OG mit Bar und einem langen Tisch unter einer Pergola.
Einige Punkte mögen exaltiert klingen, doch Kadawittfeld planten das mit Spendengeldern der Alumni finanzierte Haus unter der Devise „keep it simple“: einfach – mit guten, langlebigen und nachhaltigen Materialien.
Viele Ideen konnten die Planer aus den frühen Workshops mitnehmen. Unisextoiletten und Wickeltisch wurden ganz direkt realisiert, das Hinterhoffeeling eher im übertragenen Sinn. Nur die Hängematte, die ist irgendwann auf der Strecke geblieben.
Kadawittfeldarchitektur
wurde 1999 gegründet. Das Team von über 160 Mitarbeitenden in Aachen, Berlin, Köln und München widmet sich städtebaulichen, architektonischen und Interiorprojekten. Besonderer Fokus liegt auf Bestand und nachhaltiges, zirkuläres Bauen.
Fakten
- Projekt: Innodom Cologne
Standort: Weyertal 109, 50931 Köln
Bauherr: Kölner Universitätsstiftung
Baufaufgabe: Neubau eines Gründungszentrums
Fertigstellung: 2023
Nutzfläche: 3 620 m²
Geschosse: 4
Architekt: Kadawittfeldarchitektur
Generalplaner/Statik: Medfacilities
Lichtplanung: Arens Faulhaber Lichtplaner
Küchenplanung: Meyer Großküchentechnik
Landschaftsplanung: Studio Grüngrau Landschaftsarchitektur GmbH
Brandschutz: Föckeler + Urspruch
Haustechnik: Bähr Ingenieure GmbH
Materialien Innenausbau (Auswahl): Sauerkrautplatten von Troldtekt (C2C- und DGNB-zertifiziert), Kautschuk-Bodenbelag (OGs) von Nora Systems (DGNB-zertifiziert, Blauer Engel), Holzakustikverkleidung von Lignotrend (natureplus-zertifiziert)
Möblierung (Auswahl): Fermob, Vitra